Gold Miniatur-Dosenschloss aus 3. Jahrhundert gefunden

Auf einem Acker bei Petershagen in Nordrhein-Westfalen ist ein römisches Miniatur-Schloss aus reinem Gold gefunden worden. Nach Erkenntnissen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) soll es über 1.600 Jahre alt sein und funktioniert haben.
Gold Miniatur-Dosenschloss aus 3. Jahrhundert gefunden

Das einzigartige Fundstück ist kleiner als eine Ein-Euro-Münze und diente vermutlich als Schloss für eine Truhe oder Schatulle. Tatsächlich handelt es sich nach Aussage der LWL-Experten um die Miniaturausgabe eines sogenannten Dosenschlosses, das im provinzialrömischen Gebiet hergestellt wurde. Aufgrund der charakteristischen Form, des technischen Aufbaus und des Verzierungsgrades kann es auf das 3. bis 4. Jahrhundert nach Christus datiert werden. Gefunden wurde das Goldschloss bereits 2023 von Constantin Fried. Der lizenzierte Sondengänger hatte es auf einem Acker in Petershagen-Frille (Kreis Minden-Lübbecke) entdeckt und zur weiteren Begutachtung an den Landschaftsverband Westfalen Lippe (LWL) gegeben. Jetzt wurde der Fund der Öffentlichkeit präsentiert.

“Das goldene Miniatur-Dosenschloss steht in Europa bisher völlig allein da und ist der bisher nördlichste Fund eines Dosenschlosses in Deutschland”, betont Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie und unterstreicht damit die Relevanz des Fundes. Die Forschenden beschäftigt außerdem die Frage, ob es sich bei dem 1,2 x 1,1 Zentimeter großen goldenen Schlösschen um eine Einzelanfertigung handelt oder ähnliche Kostbarkeiten nur noch nicht gefunden wurden.

Technische Untersuchungen per CT

Das technische Geheimnis des Dosenschlosses ließ sich nicht so einfach entschlüsseln. Dazu hätte es das archäologische Team öffnen müssen. Doch die zwei zylinderförmigen Bleche, aus denen das Gehäuse besteht, waren oben und unten mit Deckeln verschlossen, die jeweils durch drei Nieten gesichert wurden. Der äußere Zylinder wies reiche Verzierungen auf. Um herauszufinden, ob das Schloss jemals funktioniert hatte, mussten die Forschenden jedoch den inneren Aufbau kennen. Sonst übliche normale Röntgenaufnahmen lieferten in diesem Fall keine brauchbaren Erkenntnisse. Dies verhinderte die hohe Dichte des goldenen Schlossmantels sowie die Nieten, die ebenfalls aus Gold bestehen.

Die Lösung stellte dann eine 3D-Neutronen-Computertomografie (CT) dar, die insbesondere bei metallischen Objekten zum Einsatz kommen kann. Sie offenbarte den Experten schließlich den Aufbau und den metallischen Kern des Schlosses. Die Messungen wurden von Dr. David Mannes und seinem Kollegen Dr. Eberhard Lehmann vom Paul-Scherrer-Institut (PSI) im Schweizer Villingen durchgeführt. Die Schnittbilder zeigten einen Rahmen mit Feder und Führungsschiene sowie Riegel, Grundplatte und Dorn. Die Auswertung ergab, dass die Mechanik zwar nahezu vollständig erhalten, jedoch beschädigt war – vermutlich beim Versuch, das Schloss gewaltsam aufzubrechen.

Rekonstruktion des originalen Dosenschlosses

Bei dem gefundenen Dosenschloss fehlen die zugehörige Kette und der Schlüssel, die sonst Bestandteil der Konstruktion eines vergleichbaren Schlosses aus dieser Zeit sind. Anhand von Funktion und Mechanik sowie gleichartiger Schlösser ließen sich die fehlenden Teile jedoch rekonstruieren. Der LWL-Restaurator Eugen Müsch fertigte daraufhin einen voll funktionsfähigen Nachbau der kompletten Schlosseinheit in einem vergrößerten Maßstab (4:1) an. Als Material dienten Messing und Stahl. Nachgebildet wurden ebenfalls der Schlüssel und die Kette, die aus mindestens sechs Elementen bestanden haben muss, damit das Schloss genutzt werden konnte.

Nachbau im Maßstab 4:1 aus Messing und Stahl, Foto: © LWL /Stefan Brentführer
Nachbau im Maßstab 4:1 aus Messing und Stahl, Foto: © LWL /Stefan Brentführer

Was ist ein Dosenschloss und wie wurde es eingesetzt?

Dosenschlösser entstanden in der römischen Kaiserzeit (27 vor Christus bis 293 nach Christus). Mit ihrem Drehmechanismus gehörten sie zu den fortschrittlichsten Techniken der Antike. Verwendet wurden Dosenschlösser etwa wie unsere heutigen Vorhängeschlösser, um Truhen, Schatullen, aber auch Fenster und Türen zu sichern. Sie wurden ebenfalls zum Anketten von Gefangenen verwendet.

Statt des heute üblichen Bügels waren Dosenschlösser mit einer Kette ausgestattet, die durch zwei Ösen oder andere geschlossene Elemente gezogen wurden. Durch Drehen des Schlüssels konnte das Schloss geöffnet und die Kette gelöst werden. Gefertigt wurden die römischen Schlösser meist aus Eisen und Bronze. Sie waren allerdings deutlich größer als das goldene Schloss, das bei Petershagen gefunden wurde. Daher liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine Sonderanfertigung in Miniaturgröße handelt. Das würde auch die Verwendung von Echtgold erklären, statt der sonst üblichen stabilen, aber eher minderwertigen Metalle.

Das vergleichsweise winzige,1.600 Jahre alte Goldschloss ist äußerst filigran gearbeitet und muss nach Ansicht der LWL-Experten von einem hoch spezialisierten Schlosser oder Kunsthandwerker im provinzialrömischem Gebiet gefertigt worden sein. Die Ver- und Bearbeitung des Goldes und der Schlossmechanik erforderten eine handwerkliche Meisterleistung, die auch unter heutigen Gesichtspunkten als herausragend eingestuft werden kann.

Rekonstruktion des Schlosses mit Kette und Schlüssel im Maßstaab 4:1 aus Messing und Stahl, Foto: © LWL /Stefan Brentführer
Rekonstruktion des Schlosses mit Kette und Schlüssel im Maßstaab 4:1 aus Messing und Stahl, Foto: © LWL /Stefan Brentführer

Fazit: Wertvoller als das verwendete Gold

Auch wenn das Gehäuse des Schlosses, die Nieten und höchstwahrscheinlich auch Kette und Schlüssel aus purem Gold bestanden, wird sein Wert eher an seiner geschichtlichen Bedeutung gemessen. Neben der einzigartigen Kunstfertigkeit des Kunstschmiede- und Schlosserhandwerks gibt das Dosenschloss nach Ansicht der LWL-Archäologen neue Hinweise auf die Beziehungen zwischen den einheimischen Eliten in Westfalen und dem Römischen Reich. Ebenso ist die lokale Bedeutung seines Fundplatzes zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass das goldene Kleinod von einem Soldaten als Andenken oder Geschenk zurück in die Heimat gebracht wurde.